Am Anfang dieses Berichts sind wir zwar noch in Winnipeg – können die Berge aber förmlich schon rufen hören! Es zieht uns langsam aber sicher gen Norden. Die Landschaft wird wilder, immer spektakulärer und vor allem einsamer. Wir sehen viele Tiere und kommen so richtig auf unsere Kosten. Das ist das Kanada, das wir lieben und unbedingt nochmals bereisen wollten. Wir nehmen euch gerne mit – los geht’s!
Am nächsten Morgen gingen wir erstmal in einen Baumarkt und suchten etwas dünnes Gummiartiges. Unsere ausziehbare Kühlbox hat als zusätzliche Abstützung zwei Gummirollen. Das funktionierte eigentlich super, leider verfingen sich aber manchmal kleine Sandkörner unter den Rollen und blockierten diese. Auf Dauer zerkratzt es so unseren Laminatboden. Abhilfe musste her! Wir fanden eine Gummimatte, die wir zurechtschneiden und als dünne Streifen aufklebten.
Zurück am LKW war es jetzt an der Zeit endgültig festzulegen, wie die Reise weitergehen sollte. Eigentlich war geplant, dass wir westlich von Winnipeg langsam Richtung Süden abbiegen und in die USA einreisen. Unser beider Gefühl sagte uns aber, dass dies noch Zeit hätte und wir mit dem Norden Kanadas noch nicht fertig seien. Lange überlegten wir hin und her. Die Dieselpreise sind auch in Kanada sehr stark gestiegen und der Weg in den Norden ist weit, sehr weit. So weit, dass man es sich kaum vorstellen kann. Erzählen uns Einheimische wo sie wohnen oder hinfahren, dann wird die Entfernung in Fahrstunden angegeben. Hier in Kanada ist das kein Problem. Staus, die den Zeitplan durcheinander bringen, gibt es schlicht nicht. Wir entschlossen uns trotzdem unserer Sehnsucht zu folgen! Es gab noch so viel zu erkunden im zweitgrößten Land der Welt, mit gerade mal 38 Mio. Einwohnern. Übrigens ist Kanada so groß wie ganz Europa! Erstes Ziel war der Clearwater Lake mit dem gleichnamigen Provincial Park. Entfernung ca. 800 km. Winnipeg ließen wir aber erst hinter uns, nachdem wir noch im bekannten Assiniboine Park im Westen der Stadt einen ausgiebigen Spaziergang unternommen hatten.
Die Grenze zu Saskatchewan überfuhren wir noch am gleichen Tag. Eintönig zogen sich die Fahrtage dahin. Immer nur Farmland ohne irgendwelche Abwechslungen. So eintönig hatten wir die Querung Kanadas in der Mitte nicht mehr in Erinnerung. Recht viel gibt es somit auch nicht zu berichten. Außer vielleicht, dass wir es aufgegeben haben Leuten zu erklären, dass unser LKW kein Unimog ist. Irgendwie haben hier alle einen Narren an Unimogs gefressen. Auf jeden Fall kamen wir mehr oder wenig zügig Richtung Westen voran.
In Alberta war unser Ziel die größte Stadt Edmonton. Wir wollten alle Vorräte aufstocken und alle Tanks mit „günstigerem“ Diesel auffüllen, bevor wir weiter Richtung Rocky Mountains und dann in den Norden abbogen. Vor Edmonton übernachteten wir auf einem kleinen Wanderparkplatz und ich schmierte den LKW ab. Mücken verleideten einem das draußen sein, aber wir unternahmen am Abend trotzdem noch einen schönen Spaziergang zu einem nahen See und konnten noch einen geschäftigen Bieber beobachten. Edmonton verließen wir, nachdem alles aufgefüllt war, auf dem Highway Nr. 16 gen Westen. Unterwegs ein Moment der Erleichterung. Vor uns tauchten die Rocky Mountains auf und somit war für uns die Querung Kanadas beendet. Wir waren mega erleichtert und klatschten ab.
Ziel war an diesem Tag Hinton, ein kleiner Ort an dessen Ende die „40“ los ging und die Kompassnadel von West auf Nord schwenkte. Am Abend unternahmen wir einen Spaziergang zum Bieber Boardwalk. Aus dem Spaziergang wurde fast eine kleine Wanderung. Steil ging es im Ort bergauf und dann auf Holzterrassen durch ein wunderschön von Biebern angelegtes Sumpf und Wassergebiet (leider hatten wir hier keinen Foto dabei). Und das Ganze sogar fast ohne Mücken!
Wir bogen am nächsten Tag also auf die „40“ ab und fuhren durch eine malerische Landschaft an den Ausläufern der Rockies entlang, genauso hatten wir uns das vorgestellt! An einem Visitor Center unterwegs machten wir Mittag und fragten nach der Milepost für den Weg nach Norden. In diesem Buch ist jeder Kilometer hoch in den Norden und jede Sehenswürdigkeit genau beschrieben. Leider gab es das Buch nicht. Am Parkplatz sah ich dann einen Harleyfahrer, der versuchte sein Motorrad durch anrollen zu starten. Seine Frau kam mit dem Auto und brachte Starterkabel. Der Anlasser von dem Motorrad tat mir so leid, dass ich hin ging und ihm sagte, dass er seinen Anlasser schrotte, wenn er so weiter macht. Ich bot ihm meine Hilfe an und holte meinen Werkzeugkoffer. 10 Minuten später blubberte die Harley wieder vor sich hin. Ich gab ihm den Rat er möge doch dringend einen Service an seinem Bike machen lassen. An diesem Tag fanden wir einen absoluten Traumplatz am Fluss und machten endlich unser erstes Lagerfeuer.
Weiter ging es nach Grande Prairie zu einem Stellplatz neben einem Visitor Center. Über Instagram erhielten wir eine Nachricht, dass uns jemand schon zweimal an diesem Tag gesehen habe und ob er sich nach der Arbeit mit uns treffen könne. Ricardo, ein deutscher Auswanderer, kam dann am Abend vorbei und wir quatschten lange über alles Mögliche. Ricardo fährt LKW und scheint auch sehr glücklich zu sein. Nach Deutschland zieht ihn nichts mehr.
Nachdem Marina am Morgen noch ein paar Stunden online gearbeitet hatte, besorgten wir im Walmart Mehl und Hefe, da wir ab sofort unser Brot selber backen wollen. Alberta ließen wir hinter uns und waren ab sofort in BC (British Columbia) unterwegs. Weiter ging es nach Dawson Creek. Auf unseren „alten Spuren“ rollten wir hier unter das „Mile 0 Schild“, das den Anfang des Alaska Highways markiert. Ein herrlicher Moment, hatten wir doch die Strecke in den Norden in so guter Erinnerung.
Wir nutzten jede Gelegenheit zum Nachtanken. Ab Grande Prairie wurde der Diesel schon wieder deutlich teurer, jetzt wären noch größere Tanks recht gewesen. Unser Plan ist es, den Alaska Highway bis nach Watson Lake zu fahren und dort auf den Robert Campbell Highway abzubiegen. Diese Schotterstraße zieht sich hunderte von Kilometern durch einsame Wildnis und trifft ca. 120 km nördlich von Whitehorse auf die Straße nach Dawson City. Leider erzählten uns Reisende, die von Norden her kamen, dass der Robert Campbell Highway gerade wegen Waldbränden gesperrt sei. Naja mal sehen, bis wir dort sind vergeht ja noch ein bisschen Zeit. Die Fahrt ging gemütlich weiter und wir sahen einen Schwarzbären am Straßenrand, leider tot. Überfahren oder angefahren, ein trauriger Anblick.
In Fort Nelson verbrachten wir den Vormittag neben Tim Hortons. Marina arbeitete ein paar Stunden und ich unterhielt mich mit Motorradreisenden aus Mexiko. Alle mit BMW GS unterwegs und augenscheinlich alles an Zubehör dran, was man anbauen kann. Schutzgitter überall, drei Gopro-Halterungen, Zusatzscheinwerfer und was weiß ich noch alles… Bis ans Polarmeer in Alaska will die Truppe.
Wir besorgten nochmal 2 kg Mehl und beim Blick auf das Preisschild fielen wir fast aus allen Wolken. Bloß gut, dass wir alle Vorratskisten bis oben hin voll gemacht hatten (Mehl ist aber leider nicht dabei). Je weiter man in den Norden kommt, um so teurer wird es. 2 kg Mehl kosteten 12,99 $, das sind ca. 10 Euro. Wenigstens müssen wir nichts für Campingplätze ausgeben. Kostenlose, sogenannte „Recreation Sites“ gibt es fast überall in BC. Das sind schön angelegte Stellplätze, aber ohne weitere Infrastruktur. Meist hat jeder Platz einen Tisch mit Bank und eine Feuertonne. Oft liegt sogar kostenloses, gespaltenes Feuerholz rum.
Auf dem Weg zu unserem nächsten Nachtplatz am Muskwa River gab es noch eine Schwarzbärsichtung neben dem Highway. Wir konnten den Motor ausmachen und den Bären in aller Ruhe beim Fressen beobachten, fotografieren und filmen.
Die Zufahrtsstraße zum Nachtplatz endete dann plötzlich direkt am Ufer des Muskwa River. Vor uns sahen wir das verzweigte Flussbett. Auf der anderen Seite gab es eine wunderschöne ebene Stelle – da wollten wir hin! Spuren führten quer durch den Fluss, dann auf die Kiesbank in der Mitte und auf dem anderen Ufer wieder an Land. Ohne den eiskalten Fluss abzulaufen fuhren wir mit unseren achteinhalb Tonnen hindurch und blieben prompt an der Ausfahrt aus dem Fluss hängen. Ich hatte vergessen die Sperren einzulegen. Mit gesperrtem Mitteldiff und gesperrter Hinterachse konnten wir die Böschung problemlos meistern. Ein bisschen geschockt waren wir beide aber schon. Wer will schon in einem Flussbett steckenbleiben, an dem rundherum überall Warntafeln vor Sturzfluten stehen?! Der Platz war wie aus dem Bilderbuch. Wir erkundetet zu Fuß die Umgebung, suchten ein bisschen Feuerholz und ließen die Drohne steigen.
Spät am Nachmittag saßen wir im LKW als Marina plötzlich laut „Elche!“ rief. Am gegenüberliegenden Ufer stand eine Elchkuh mit ihrem Jungen und beide durchquerten das Flussdelta. Was ein magisches Tiererlebnis.
An einem kleinen See kehrten wir um und fuhren zurück. Auf halbem Weg sahen wir ein paar hundert Meter vor uns einen kleinen schwarzen Punkt. Wir blieben stehen, stoppten den Motor und nahmen das Fernglas zur Hand. Ein Schwarzbär war direkt auf der Schottertraße, genau in unsere Richtung unterwegs. War das ein klasse Anblick. 50 Meter vor uns erblickte er den LKW und flüchtete in den Wald.
Einige Kilometer vor den Liard Hot Springs war neben der Straße eine Gedenkstätte eingerichtet worden. Zwei Traveller, er aus Australien und sie aus den USA, waren 2019 hier in ihrem Van ermordet worden. Wir hielten an und legten eine Gedenkminute ein.
Jetzt stehen wir am Liard River mit einer herrlichen Aussicht auf den Fluss. Leider gibt es so viele Mücken wie wir es noch nicht erlebt haben. Mal sehen, ob wir alles dicht haben für die kommende Nacht. Morgen geht es zum Baden in die Liard Hot Springs.
Danke, dass ihr uns begleitet und wir freuen uns, wenn ihr beim nächsten Bericht wieder mit dabei seid!
gefahrene Strecke:
3145 Kilometer
Schäden / Verschleißteile:
• Abblendlichtbirne rechts durchgebrannt (Ersatz natürlich an Bord)
Verluste:
• keine
Plattfüße:
• immernoch keinen
Ausrüstungs-Topps:
• Marina’s neue Schuhe von Lowa. Lange gesucht und Volltreffer gelandet in Sachen Qualität, Passform und Bequemlichkeit (Markennennung unbezahlt!)
Ausrüstungs-Flopps:
• hier können wir diesmal tatsächlich nichts nennen 😉