Wir starteten also bei Meile 0 und fuhren durch eine malerische Landschaft aus schroffen Bergen, durchzogen von reißenden Flüssen und Wäldern ohne Ende. Vor Fort Nelson übernachteten wir an einem kleinen See und sahen in der Ferne eine hunderte von Metern hohe Rauchsäule emporsteigen, die die Sonne verdunkelte. Einheimische berichteten von einem riesigen Waldbrand nördlich von Fort Nelson. Am nächsten Morgen hatte sich der Rauch gelegt und wir fuhren weiter Richtung Watson Lake. Allerdings wurde es im Laufe des Tages von Kilometer zu Kilometer immer beschwerlicher… dichte Rauchschwaden hingen über den Wäldern und nahmen uns die Sicht. Es roch den ganzen Tag fürchterlich nach Rauch. Später erfuhren wir, dass die schlimmsten Waldbrände seit 50 Jahren in Westkanada wüteten.
Der nächste Tag war nur zum Baden in den „Liard Hot Springs“ gedacht. Wir waren bereits um 7 Uhr auf dem Parkplatz, frühstückten noch und machten uns dann auf den 10-minütigen Fußweg zu den Quellen. Der Weg ist als Boardwalk ausgelegt (Brettersteg). Wir also auf dem Weg, als mich Rini plötzlich am Arm festhielt und nach vorne deutete – da stolzierte doch tatsächlich eine Elchkuh mit zwei Elch-Babys im Schlepptau, nur ca. 50 m vor uns über den Weg 🙂
Die heißen Quellen waren dann ein Traum… Nahe bei der Quelle ist es nicht zum aushalten, so heiß ist das Wasser – je weiter man sich von der Quelle weg bewegt, um so erträglicher wird es. Nach dem Badetag fuhren wir noch ein paar Kilometer und fanden nach 23 km linker Hand eine kleine Einfahrt, die uns wieder ans Ufer des Liard River brachte – ein herrlicher Nachtplatz – langsam werden wir aber verwöhnt mit klasse Stellplätzen!
In Watson Lake war die Luft dann wieder klar und wir konnten in der ersten Stadt im Yukon unsere Schilder im bekannten „Sign Post Forest“ anbringen. Beim Bau des Alaska Highways hatte ein Soldat solch schlimmes Heimweh, dass er ein Schild mit der Entfernung zu seiner Heimatstadt aufstellte – seit dem haben es ihm Tausende gleich getan und es entstand ein gigantischer Schilderwald, der stetig weiter wächst. Wir haben uns also auch verewigt (DANKE Karin für die Schilder!).
Weiter ging es über Jake‘s Corner nach Whitehorse. Dort angekommen war dann der Walmart mal wieder ein Anlaufpunkt für uns – erstens weil es der letzte Walmart in Richtung Norden war und zweitens weil sich auf diesem Walmart irgendwie alles trifft, was den Norden bereist – der Parkplatz ist jeden Abend voll mit den unglaublichsten Reisegefährten. Wir besichtigten die urige Stadt und entschlossen uns (nach einer Empfehlung eines Amerikaners), doch die 40 $ auszugeben und die 720 Seiten umfassende „Milepost“ zu kaufen. Jeder Kilometer, jede Sehenswürdigkeiten – einfach alles ist bis ins kleinste Detail beschrieben. Super!
In Whitehorse liegt auch die legendäre „Klondike“ als Museumsschiff auf dem Ufer. Auch ein „Must See“. Die „Klondike“ ist ein Heckwheeler, der zwischen Dawson City und Whitehorse auf dem Yukon verkehrte.
Anschließend füllten wir unsere Vorräte bis Anschlag auf und ebenso unsere Dieseltanks (1,24 $ / L) – denn es ging weiter hoch in den Norden. Wir verließen ein paar Kilometer nach Whitehorse den „Trans Alaska Highway“ und bogen auf den „Klondike Highway“ ab, der uns in die sagenumwobene Goldgräberstadt „Dawson City“ bringen sollte. Unterwegs besichtigten wir die berüchtigten „Five Finger Rapids“. Der Yukon River teilt sich hier in fünf, zwischen schroffen Felsen verlaufende, Arme. Viele Männer und Frauen kamen hier während des Goldrauschs am Yukon auf ihren selbstgebauten Flößen ums Leben… Die Heckwheeler, wie die „Klondike“ z.B., wurden stromaufwärts von Stahlseilen durch die Stromschnellen gezogen – das kann man sich heute alles gar nicht so recht vorstellen, was die Leute hier vor über 150 Jahren geleistet haben.
Am Straßenrand dann an diesem Tag 3 Bärensichtungen!!! Pünktlich zur Nachtplatzsuche kamen wir am Abzweig zum „Robert Campbell Highway“ vorbei und fuhren noch drei Kilometer am Yukon River entlang. Am Abend machte ich dann nach über 15.000 Kilometern den ersten Ölwechsel.
Am nächsten Tag, 40 km vor Dawson City, schielten wir kurz auf die Abzweigung zum „Dempster Highway“ – fuhren aber erst noch nach Dawson rein, um den Tank, für unser nächstes Abenteuer, bis zum Anschlag zu füllen (1,44 $ / L): Einmal den Dempster Highway nach Inuvik, 736 km auf Schotterpiste in eine Sackgasse, dabei über den Polarkleis hinaus in die nördlichste „Stadt“ (Inuvik: Dorf mit 3500 Einwohnern) von Kanada.
Es ging die 40 km zurück bis zur Abzweigung und dann lag er endlich vor uns… der Dempster! Wir wussten nicht, was auf uns zukommen sollte! Nach ein paar Kilometern befanden wir uns im „Tombstone Territoial Park“ mit einer Landschaft, die sehr schwer zu beschreiben ist… In einer Broschüre mit einer Beschreibung der Region wird es wohl am besten umschrieben: „Ein groß dimensioniertes Land voll filigraner Schönheit“ – und genau das ist es.
Am Ende des Parks fanden wir einen Nachtplatz, verdunkelten unseren „Schlafzimmereingang“ mit Handtüchern und klebten die Dachluke zu, da diese kein Verdunklungsrollo hat. Zu dieser Jahreszeit gibt es – je weiter man in den Norden kommt – keine Nacht und es wird nie dunkel. Ach ja – Thema Fenster, ein Tipp von uns: wer unbedingt aus Mangel an Alternativen diese komplett fehlkonstruierten Seitz-Fenster verbauen muss, der sollte sich zusätzliche Fliegengitter an den Innenrahmen montieren. Wir haben auf dem Rahmen Klettband über die Lüftungsöffnungen geklebt, worauf nochmals ein passendes Gegenstück an Gardinenstoff genäht wurde. Unsere Fenster sind absolut dicht! Jeden Morgen haben wir Mücken zwischen dem Moskitonetz der Seitz-Fenster und unseren nachträglich montierten. Die Mücken klettern einfach über die Rolle des Netzes und sind auf einmal im Fahrzeug. Die Konstrukteure sollte in Kanada in einem Auto mit Seitz-Fenster mal eine Nacht eingesperrt werden! Ich schweife ab….. 😉
Am nächsten Morgen rollten wir ausgeschlafen weiter – gemütlich gegen Norden. Kilometer um Kilometer durch eine sich abwechselnde Landschaft von unendlicher Schönheit. Es begann zu regnen und unser Iveco zog wieder sein Tarnmäntelchen an. Gegen Mittag dann auf einer Bergkuppe, ich war auf die Straße konzentriert, schreit Rini „STOP, halt mal an und fahr ein paar Meter zurück – da stand ITCHYWHEELS auf dem Schild“ Ich drei ??? über dem Kopf und tatsächlich, auf der Rückseite eines Schildes am linken Straßenrand stand eindeutig ITCHYWHEELS geschrieben. Ein rotes Klebeband darunter hielt einen kleinen Zettel mit einer Nachricht für UNS! Wolf aus Berlin, mit dem wir schon in Halifax zusammengetroffen sind und mit dem wir in regelmäßigem Mailkontakt stehen, hat also auf dem Dempster eine Schnitzeljagd eröffnet 🙂 Immer war er uns ein paar Tage voraus – auf dem Dempster mussten wir ihn treffen – hofften wir! Es gab ja nur die eine Straße. Apropos Straße: über 700 Kilometer Schotterstraße zu beschreiben ist recht schwer, aber sagen wir mal so: sie ist von gut über schlecht bis weniger schlecht aber auch auf langen Strecken absolut perfekt 😉 Gegen Abend dann erreichten wir den „Arctic Circle“ bei 66′ 33′. Bis zu dem nächsten Nachtplatz, den uns Wolf auf seinem Zettel genannt hatte, war es an diesem Abend für uns zu weit und wir übernachteten am Polarkreis.
Nach ca. 60 gefahrenen Kilometern am nächsten Tag, sah ich dann ein Brett am Wegesrand – wieder mit dem leuchtenden Klebeband und ITCHYWHEELS darauf mit einem Pfeil nach rechts. Wir also den kurzen Weg nach oben und da standen zwei Fahrzeuge – ein Schweizer Duro mit Anita und Roger und das andere Fahrzeug war der Wolf – ein großes Hallo und riesige Freude auf beiden Seiten. Wir hatten uns also tatsächlich gefunden! Der Vormittag verging wie im Fluge. Es kam dann noch ein Schweizer Paar mit einem Duro und somit hatten wir die wohl derzeitig größte Konzentration von europäischen Fahrzeugen auf dem Dempster. Wie sich rausstellte waren wir die Einzigen, die nordwärts unterwegs waren – alle Anderen kamen schon von weiter oben. Also machten wir uns wieder auf den Weg, mit dem Versprechen weiterhin den Kontakt zu halten.
Nur 5 km nach dem Treffpunkt überquerten wir am „Wright Pass“ die Grenze zu den Northwest Territories. Die folgenden Kilometer sind schwer in Worte zu fassen, da uns langsam die Superlativen ausgehen. Über Fort McPherson ging es weiter an den Peel River. Dort wurden wir von einer kostenlosen Fähre auf die andere Seite gebracht. Die Auffahrt auf die Fähre besteht nur aus zusammengeschobenem Schotter – nichts befestigt oder so – wenn der Anleger nicht mehr passt, dann steht ein Radlader nebenan, der die Rampe wieder auffüllt. Wir fuhren noch ca. 30 km und übernachteten am Frog Creek – ein super Stellplatz mit einem spitzen Angelspot! Es gab an diesem Abend wieder Fisch!
Bis zur nächsten Fähre waren es am folgenden Tag noch 30 Kilometer – diese brachte uns über den breiten Mackenzie River. Bis nach Inuvik waren es dann nur noch 127 km auf absolut perfekter Gravelroad. In Inuvik besuchten wir zuerst das wunderschöne Visitorcenter und holten unsere Urkunden zur Polarkreis-Bezwingung ab! Im Sommer ist die Stadt Inuvik das Ende des „Dempster Highways“. Im Winter, wenn das Delta des Mackenzie Rivers zugefroren ist, dann geht die Iceroad weiter bis ans Polarmeer nach Tuktoyaktuk. Inzwischen wird an einer 137 km langen Trasse gebaut, die auch im Sommer befahrbar sein soll – 2 Teams (eins von Süden und eins von Norden) mit über 150 Arbeitern – bauen an der Straße. Allerdings wird nur im Winter gebaut, um den Permafrostboden nicht zu beschädigen. Genau wie der Dempster wird auch diese Trasse auf ein bis zu 1,80 m dickes, verdichtetes Schotterbett gelegt, weil sich die Straße im Sommer aufheizt. Wenn das Bett zu dünn wäre, würde die Trasse im Permafrost versinken. Ab Winter 2018 soll die Straße also bis zum Polarmeer befahrbar sein. Für uns war hier Ende, wir hatten den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht und nisteten uns auf dem Campground im Örtchen ein. Am Tresen fragten wir nach dem Preis für eine Nacht und der war mit 23 $ absolut OK. Rini fiel dann allerdings fast in Ohnmacht, als sie nach den Duschen fragte – ob man 1 $ Münzen braucht oder ob die Duschen im Preis mit inbegriffen wären. Der Kerl hinter dem Tresen sagte dann ganz trocken: Mit Duschen kostet es 50 $ … ÄÄÄÄHM, SORRY WIEVIEL????? 50 DOLLAR fürs Duschen???? (nach der 9 $-Dusche in Labrador rechnen wir beim Duschen inzwischen mit fast allem 🙂 Da fing er aber laut zu lachen an und meinte es sei ein Scherz gewesen – die Duschen sind im Preis mit drin! 🙂 Es gab also Waschmaschinen und warme Duschen!
Nachdem wir uns und unsre Wäsche wieder ins Reine gebracht hatten, gingen wir auf Empfehlung der netten Dame aus dem Visitorcenter in ein Restaurant essen. Das Restaurant entpuppte sich dann allerdings als ein Foodtruck – absolut genial und super lecker! Es gab für Rini Fischtakkos und für mich Reindeer-Chilli. Vor dem Restaurant wurde ich dann mal wieder an meine alte Arbeit erinnert – da rollte doch tatsächlich Einer aus Alaska auf einer KTM SuperAdventure an…
Am nächsten Tag besichtigten wir Inuvik bei einem kleinen Spaziergang, holten uns im Towncenter kostenlose Inuvik-Pins, checkten die Preise im nördlichsten Supermarkt Kanadas (1 Salatgurke 3,49 $, Brot nochmal 30% teurer als sonst), Dieselpreis in Inuvik 1,55 $ / Liter. Wir mussten glücklicherweise nicht tanken 🙂 Nachdem wir uns einen ganz guten Überblick verschafft hatten und die Wetterprognose ein kurzes Schönwetterfenster aufzeigte, machten wir uns auf den langen Rückweg nach Dawson City.
In Frog Creek nochmal kurz zum Angeln angehalten und zwei Fische landeten in der Kühlbox. Die Fähren über den Mackenzie und den Peel River nahmen wir am gleichen Tag. Auf einem kerzengeraden Abschnitt sahen wir dann in weiter Entfernung am Straßenrand etwas stehen. Als wir näher kamen entpuppte es sich als die KTM SuperAdventure vom Abend. Stehend auf dem Seitenständer aber nicht mehr fahrbereit. Irgendjemand hatte den Fahrer wohl schon mitgenommen, nachdem er zu Sturz gekommen war – hoffentlich ist ihm nichts Ernstes passiert. Alleine auf dem Dempster mit dem Motorrad ist es schon gefährlich – das kann bei einem Sturz ganz schnell ins Auge gehen – da es passieren kann, das stundenlang kein Fahrzeug vorbei kommt.
Wir fuhren langsam weiter und kamen gut voran, bis uns ein Platten ausbremste – hinten links – schon wieder! Mist! „Da ist doch schon ein verstärkter Schlauch drin…!“ Aber diesmal war es ein externer Übeltäter in Form eines Nagels. Also ruck zuck die Felge zerlegt und einen neuen Schlauch eingezogen (noch haben wir welche) ;).
Wir waren gerade fertig, als es zu regnen begann und die Piste richtig schlammig wurde. Der Iveco sah aus, als ob wir die Transamazonica in der Regenzeit gefahren wären. Nachtplatz war dann der Platz, an dem wir Wolf getroffen hatten. Hier blieben wir einen ganzen Tag und unternahmen einen herrlichen Spaziergang auf einen Berg, der uns die Landschaft mit einer atemberaubenden Fernsicht noch näher brachte.
Keine Stromtrasse, keine Häuser, keine von Menschen zerstörten und umgegrabenen Flächen beleidigen das Auge – nur grenzenlos schöne Natur. Ich glaube, nach den unendlichen Sanddünen des Grand Erg Oriental, habe ich hier meine zweite „Liebe“ gefunden… Rini hat sich auch in den Norden verliebt – das Einzige, was uns beide immer etwas nervt, sind die Mücken ;).
Dawson City empfing uns bei unserer Rückkehr wieder mit den Zeitzeugen einer vergangenen Goldgräber-Ära – riesigen Abraumhalden mit vereinzeltem, zurückgelassenen Goldgräber-Equipment.