Bis zum argentinischen Grenzposten waren es nur einige wenige Kilometer.
Auch dieser befindet sich irgendwo im Nirgendwo. Zora blieb im Auto und wir betraten das kleine Büro. Ein Zollbeamter füllte die Einreisepapiere aus und wir warteten, bis die Pässe gestempelt waren. Rini stupste mich an und deutete mit einem kleinen Nicken zu der offenen Tür hinter ihm, durch die man in eine kleine Küche sehen konnte – auf dem Küchentisch stand neben der Kaffeetasse eine richtig große Flasche Schnaps … Naja, was soll man hier in der Einsamkeit auch sonst machen … Die Hundepapiere waren schnell abgestempelt und der Zöllner wollte nur noch kurz ins Auto schauen. Keine einzige Schublade mussten wir öffnen. Das ganze Gemüseverstecken war mal wieder umsonst.

Die Piste blieb schlecht und wurde teilweise noch beschissener. Wellblech ohne Ende. Aber nach ein paar Stunden standen wir vor der „Ruta 40“ – einem perfekten Asphaltband – welches uns schnell weiter nach Süden bringen sollte. Wir pumpten die Reifen wieder auf Straßendruck und dann rollten wir so leise dahin wie schon lange nicht mehr. Eine Wohltat nach dem ganzen Gerüttel. An einem Fluss fanden wir neben der Brücke einen tollen Nachtplatz. Es stürmte in der Nacht recht heftig und am Morgen waren wir schon früh wach. Ein Monster von LKW mit Anhänger hielt auf der Brücke und einige Leute stiegen zum Fotografieren aus. „Rotel Tours“ kreuzte wieder einmal unseren Weg. Ein kurzer Plausch mit dem Fahrer und wir zogen weiter. Es fing an zu regnen und der Teer hörte auf. Die Ruta 40 verwandelte sich in eine Schlammpiste. Unser Iveco sah mal wieder aus wie die Sau.

Wir bogen ab und fuhren nach „El Chalten“. Dieser, von Touristen überlaufene, Ort lockt jährlich tausende von Besuchern aus aller Welt an, die in der atemberaubenden Gegend um das Fiz Roy Massiv wandern wollen. Leider sahen wir von der grandiosen Kulisse – NICHTS! Die Wolken hingen so tief, dass von der gewaltigen Berglandschaft rein gar nichts zu sehen war. Macht nix – wir hatten beschlossen auf der Rückfahrt eventuell nochmals in El Chalten vorbeizuschauen.

Die nächste größere Stadt auf unserer Route war „El Calafate“. Ein paar Besorgungen im Supermarkt wollten getätigt werden – aber erst brauchten wir Geld! Dies war gar nicht so einfach, da die Banken in Argentinien aberwitzig hohe Gebühren verlangen. Schlussendlich hatten wir ein bisschen Bares und konnten das Nötigste kaufen. Nach 70 Kilometern übernachteten wir kurz vor dem Parkeingang zum „Perito Moreno Gletscher“.
Am Morgen ließen wir uns dann ganz viel Zeit. Angeblich soll die Chance den Gletscher „kalben“ zu sehen nachmittags am größten sein, wenn die Eismassen den ganzen Tag von der Sonne aufgewärmt wurden. Die Hundebox verstauten wir im Auto – Hunde sind nämlich im Park nicht erlaubt – und wir wollten ja nicht unnötig als Hundebesitzer entlarvt werden. Zora wurde nicht gesehen und schon die kleine Straße durch den Nationalpark war wunderschön. Fast am Ende sahen wir dann das erste Mal in der Ferne den Gletscher funkeln. Ein spektakulärer Anblick!
Am Parkplatz war viel los und wir bestiegen den kostenlosen Shuttelbus, der uns zu den Aussichtsplattformen brachte. Angesichts der grandiosen Eismasse vor uns verschlug es uns die Sprache. Es knackte und krachte im Eis – eine einmalige Geräuschkulisse – mit Worten kaum zu beschreiben. Der Wind pfiff uns eisig um die Ohren und so warteten wir zwei Stunden und bekamen nur ganz kleine Abbrüche zu sehen. Ein großes Eisstück, welches schon sehr schräg an der Kante hing, wollte jedoch einfach nicht abbrechen. Aber unsere Geduld hatte sich am Ende doch noch gelohnt – der riesige Eisbrocken, den wir schon die ganze Zeit im Auge hatten, brach unvermittelt mit einem lauten Krachen ab und stürzte ins darunterliegende Schmelzwasser. Der Berg, der da vor unseren Augen abbrach, war ca. 10 mal so groß wie unser Iveco – nur damit ihr eine Vorstellung habt, wie gewaltig diese Wand ist. Der Perito Moreno Gletscher ist einer der wenigen Gletscher, die noch auf dem Vormarsch sind – täglich bis zu zwei Meter wird das Eis nach vorne gepresst. Unglaublich! Komplett durchgefroren aber unendlich glücklich, bei diesem Naturschauspiel live dabei gewesen zu sein, fuhren wir nach El Calafate zurück.

Halt – eine wichtige Anmerkung noch: Ebenso unglaublich, wie den atemberaubende Anblick des Gletschers, finden wir die erstaunliche Tatsache, dass es sogar hier, in Südargentinien, noch kleine grüne Papageien gibt! Von den tropischen Wäldern in Mexiko, über die trockenste Wüste der Welt, die Atacama, bis hin zu den windigen Bergwelten Patagoniens begleiteten uns diese quirligen Vögel!

Unser Nachtplatzt, am Rande von El Calafate, war wieder einmal extrem windig. Sturmböen schaukelten uns im Schlaf hin und her. Wir schlenderten am nächsten Vormittag noch durch die belebte Hauptstraße und fuhren dann weiter in Richtung Grenze – wir mussten wieder nach Chile einreisen um unser südlichstes Ziel, die Stadt „Ushuaia“, zu erreichen.

50 Kilometer vor der Grenze übernachteten wir auf freiem Feld, weit und breit war kein windgeschützter Platz zu finden. Am Abend kam noch die Polizei und fragte, ob wir hier übernachten wollten. Nachdem wir das bejahten sagten sie nur, die Polizeistation sei zwei Kilometer weiter – falls wir etwas bräuchten. Gracias y buenas noches! Am Morgen versteckten wir – wieder einmal – alles Obst, Gemüse, Milchprodukte und Eier für den bevorstehenden Grenzübertritt. Am Grenzposten standen dann bereits drei Busse vor uns und so stellten wir uns an der langen Ausreiseschlange an. Kurz bevor wir an der Reihe waren wurden wir auf deutsch aus der „Einreiseschlange“ angesprochen: „Seid ihr die, die mit einem gelben Iveco unterwegs sind?“ – „Jaaaa… !?“. Sie kannten uns aus dem Internet und waren mit ihrem Camper in Richtung Argentinien unterwegs. Die beiden erzählten, dass in ihren Kastenwagen auf Gravelpisten unheimlich viel Staub gelangen würde, aber inzwischen hätten sie es ganz gut im Griff! Wir verabschiedeten uns und holten unsere Stempel. Zora reiste offiziell aus und wurde nur kurz von einem Zöllner in Zivil angeschaut der prüfte, ob ihre Farbe auch mit der in den Papieren angegebenen übereinstimmt, wie auch immer, es war mal wieder alles recht unproblematisch 😉 Als wir den argentinischen Grenzposten verließen, fuhren wir an einem Ducato mit deutschem Kennzeichen vorbei und mussten beide ein bisschen Schmunzeln. Alle Türgriffe und sonstigen Karosserieöffnungen waren dermaßen dick und fett mit Klebeband abgeklebt, dass sogar die Funktionalität beeinträchtigt schien. Soetwas hatten wir noch nie gesehen – der Staub im Auto ist aber wirklich lästig, können wir ja auch ein Lied davon singen 😉

Am chilenischen Posten, ein paar Kilometer weiter, war nicht soviel los und wir bekamen ganz schnell unsere Einreisestempel. Das TIP für die Fahrzeugeinfuhr wurde ausgefüllt und Zora bekam wieder ihren Stempel auf das 21-Tage gültige Zollpapier für Haustiere. Wir füllten, wie auch schon bei unserer ersten Einreise nach Chile (in San Pedro de Atacama), das Zollformular aus, auf dem wir bestätigten, dass wir Obst und Gemüse dabei hätten. Eine Beamtin kam mit zum Fahrzeug und wir händigten ihr das vorher aussortierte Gemüse aus – zwei alte Karotten und zwei faule Kartoffel 🙂

Zurück in Chile war unser nächstes Ziel der legendäre „Torres del Paine“ Nationalpark. Wir fanden einen Traum von Stellplatz vor einem kleinen See mit den „Torres“ im Hintergrund. Am Parkeingang zahlten wir am nächsten Tag die Gebühr und Zora wurde wieder nicht bemerkt. Was hatten wir für ein Glück mit dem Wetter – traumhaft schön ragten die Torres vor uns in den weiß-blauen Himmel. Wir fuhren einige Aussichtspunkte an und dann sahen wir den grünen Allrad-LKW mit holländischem Kennzeichen eines Reiseveranstalters, nach dem wir insgeheim schon ein paar Tage Ausschau hielten. Unsere lieben Iveco-Reisefreunde Dani und Kevin (derzeit in den USA) hatten uns zwei Wochen vorher geschrieben, dass Danis Cousin Franco für eine Australische Overlanderfirma arbeitet und gerade mit einer Reisegruppe in Patagonien mit einem grünen LKW unterwegs sei. Eine Freude! Wir unterhielten uns und sendetet noch ein Bild an Dani und Kevin – die beiden hängen seit 4 Wochen in den Staaten mit einem kapitalen Motorschaden fest und warten auf einen Tauschmotor aus Deutschland. Die Armen tun uns so leid… :-(. Nach dem Austausch einiger Infos verabschiedeten wir uns und fuhren ein Stück weiter um eine kleine Wanderung zu einem Aussichtspunkt zu unternehmen. Oben angekommen war die Aussicht grandios und kitschig zu gleich. Es windete brutal – wie eigentlich immer – sagte ich schon, dass es windig war? Den Nationalpark verließen wir durch den Südausgang und übernachteten an einem Aussichtspunkt außerhalb des Parks, wo auch Zora wieder „legal“ war. Am Abend verschlechterte sich das Wetter und es zog komplett zu, sodass von der Bergwelt nichts mehr zu sehen war – was hatten wir für ein Schwein!
Im nächsten Örtchen, „Puerto Natales“, konnten wir das Wifi vom Visitorcenter abgreifen und das Wetter checken. Sturmböen und Regen waren für die Nacht angesagt und so blieben wir einfach stehen. Am nächsten Tag sah es wieder besser aus und wir besichtigten Puerto Natales bei einem ausgiebigen Spaziergang.

Dann hieß es wieder – Kurs Süd! Durch eine sanfte Hügellandschaft, ohne Bewuchs höher als 20 cm, zog sich das Teerband. Sagte ich schon, dass es windig war? Diesmal Rückenwind … Toll! Problem dabei war nur, dass die Motortemperatur hoch ging, weil der Fahrtwind fehlte. Aber wir können ja den Lüfter per Hand zuschalten und dies half. Kilometer um Kilometer rollten dahin und dann sahen wir kurz vor „Punta Arenas“ einen weiteren Meilenstein auf unserer Reise – die Magellanstraße! Punta Arenas gefiel uns richtig gut. Es war Wochenende und die Stadt wirkte zwar wie ausgestorben, aber so konnten wir uns in Ruhe einen guten Überblick verschaffen. In der Markthalle gab es dann Königskrabben für uns und im Lider-Supermarkt (gehört zur amerikanischen Walmart-Kette) konnten wir unsere Vorräte auffüllen. Wir liefen viel in der Stadt herum und übernachteten außerhalb an einem herrlichen Strandabschnitt. Beim Spaziergang mit Zora sah Rini hier tatsächlich ihren ersten Pinguin in freier Wildbahn! Fast hätte sie ihn übersehen da er, den Möwen gleich, ganz nah und ruhig am Strand entlang paddelte und im flachen Wasser nach Nahrung tauchte.

Wir beschlossen, dass wir für den nächsten Grenzübertritt mit Zora nur ein neues Gesundheitszeugnis besorgen und das SENASA-Papier weiter verwenden würden. Schließlich war es 21 Tage gültig und noch nicht abgelaufen. Ein argentinischer Zollbeamter bestätigte uns, dass es für mehrere Grenzübertritte benutzt werden kann. Die SENASA-Behörde, die uns das Formular in Chile augestellt hatte, meinte allerdings, dass dieses nur für zwei Grenzübertritte gültig sei. Naja, wir wollten es darauf ankommen lassen – irgendwann ist es auch mal gut mit dieser unnötigen Bürokratie!

Der weitere Weg zog sich an der Magellanstraße entlang zum Fähranleger nach Feuerland. Nach kurzer Wartezeit fuhren wir auf die Fähre und blickten etwas besorgt auf die sehr aufgewühlte See. Tatsächlich schaukelte es recht heftig und ich wunderte mich, dass es überhaupt keine Ladungssicherung gab. LKWs schaukelten in ihren Federn hin und her. Rini stieg erst gar nicht aus. 30 Minuten Herzklopfen und dann legte die Fähre an. Wir rollten mit unseren vier Gummis auf „Tierra del Fuego“ – Feuerland!

Der Teer hörte wieder einmal auf und es gab – wie soll es anders sein – Wellblech! An einer Kreuzung hätten wir im rechten Winkel nach links abbiegen müssen, um zur Argentinischen Grenze zu kommen. Wir fuhren aber erst noch 17 Kilometer gerade aus zu einem weiteren Highlight – an einem kleinen Strandabschnitt lebt die einzige Königspinguinkolonie auf Feuerland – Danke für den Tipp an Franco! Ein Ranger sagte uns, wir können gerne auf dem Parkplatz übernachten, ab 11 Uhr darf man zu den Pinguinen (wir kamen Abends an). Als die Station am nächsten Morgen öffnete, waren wir die einzigen Besucher und konnten bis auf ca. 50 m an die Tiere heran. Es war eisig kalt und der Wind war schneidend. Aber es war unglaublich die größten Pinguine in so einer unwirklichen Landschaft zu beobachten. Königspinguine auf Gras! Das kann man sich echt nicht vorstellen. Die Kolonie hat zur Zeit um die 90 Tiere und es war sogar ein „Jungtier“ dabei – zu erkennen an dem braunen Federkleid. Überglücklich nach einem so tollen Tiererlebnis fuhren wir zur Grenze.

Natürlich hatten wir unser Obst und Gemüse wieder „verräumt“. Ausreise Chile – zwei Stempel, TIP abgeben – fertig. Keine 5 Minuten. Zora verschwiegen wir bei der Ausreise, nur eine schlafenden Hunde wecken ;-). Keiner wollte ins Auto sehen. Wir fuhren los. Nach 20 Minuten meinte Rini: „Wir sind gleich im ersten Ort in Argentinien. Wir haben den Einreiseposten übersehen!“. „Oh nein!“ – Doch der Einreiseposten befand sich gleich am Orteingang. Es war viel los und wir mussten lange anstehen. Pässe und TIP waren fertig – dann sagten wir noch, dass wir einen Hund hätten. Wir wurden zu einem weiteren Schalter geschickt und der Kerl nahm nur das SENASA-Papier und knallte seinen Stempel drauf ohne irgendetwas zu lesen oder das obligatorische Gesundheitszeugnis zu verlangen. Keine Fahrzeugkontrolle und wir waren erneut in Argentinien. Dann standen wir das erste mal seit seeeeeehr langer Zeit am Atlantik. Es regnete und es war stürmisch.

Bei trockenem Wetter fuhren wir am nächsten Tag weiter und mit jedem Kilometer wuchs die Spannung und Aufregung. Die Landschaft änderte sich schlagartig, es gab wieder Wälder und Berge – es war sehr abwechslungsreich. Reisende erzählten uns, dass es sich nicht lohne soweit nach Süden zu fahren nur um einmal in Ushuaia gewesen zu sein – es sei einfach nur weit und langweilig! – Mit Nichten!

Tja und dann waren wir plötzlich da – AM ENDE DER WELT – in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Erde. Wir lagen uns in den Armen und drückten unseren Iveco ganz fest für diesen unglaublich guten Job. Der Kilometerzähler zeigte 73.679 Kilometer seit Beginn unserer Reise in Halifax. Wir hatten es geschafft und den gesamten Amerikanischen Kontinent von Ost nach West, von Neufundland bis Anchor Point in Alaska und von Nord nach Süd, von Inuvic bis Ushuaia durchquert. Welch ein Glücksgefühl. Ushuaia ist zwar ein wichtiger „Meilenstein“ auf unserer Reise aber noch lange nicht das Ende! Nicht dass hier jemand denkt nun wäre unsere Reise vorbei, nur weil wir am Ende der Welt sind … 😉

Und jetzt verbringen wir einige Tage im schönen Ushuaia und wünschen unseren Lieben daheim, allen Freunden und Bekannten, treuen Lesern und Overlander-Freunden (Dani & Kevin sind mittlwerweile auch endlich wieder „on the road“) ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

  • gefahrene Strecke: 2.597 km
  • Schäden bzw. Verschleißteile: keine
  • Verluste:keine
  • Plattfüße: keinen
  • Ausrüstungs TOPP :
    unser IVECO – kein anderes Fahrzeug hätten wir uns für diese Reise gewünscht!!!!